Die Vorfälligkeitsentschädigung: So tricksen Banken bei vorzeitiger Kreditablösung
Strafzahlungen sind häufig vermeidbar
- Verträge vorzeitig beenden
- gegen unberechtigte Forderungen wehren
- Zinsen und Gebühren zurückfordern
Eine Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) fällt meist an, wenn Kreditnehmer ihren Kredit vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen möchten. Banken dürfen Vorfälligkeitsentschädigungen als Ausgleich für entgangene Zinsen verlangen. Welche Folgen die Vorfälligkeitsentschädigung für Sie als Kunde hat, wie hoch sie ausfallen kann und in welchen Fällen eine Zahlung vermieden oder eine bereits geleistete rückgängig gemacht werden kann, erfahren Sie hier.
Vorfälligkeitsentschädigung: Worum es sich handelt und wann sie fällig wird
Jedes Jahr werden in Deutschland mehrere Millionen Kreditverträge geschlossen. Von herkömmlichen Ratenkrediten mit kurzer Laufzeit und kleiner Darlehenssumme bis zu langfristigen Immobiliendarlehen mit hohem Kreditvolumen. Besonders bei Letzteren spielt der Faktor Leben eine große Rolle.
Lebensumstände ändern sich. Menschen, die noch vor kurzem ein Darlehen für eine Immobilie geschlossen haben, möchten es nun spontan ablösen. Wegen einer Trennung, einem arbeitsbedingten Umzug oder einem Krankheitsfall – Gründe gibt es viele.
VFE soll entgangene Zinsen ersetzen
Da aber Banken auf eine gewisse Planbarkeit angewiesen sind, dürfen sie für den finanziellen Verlust, der entsteht, wenn Kunden ihren Kredit vorzeitig ablösen, einen Ausgleich verlangen. Als Entschädigung für die entgangenen Zinsen mit denen sie bei einem Kredit für die nächsten Jahre gerechnet hatten. Diese Praxis soll sicherstellen, dass Banken gegen die Unsicherheit und das Risiko eines vorzeitigen Kreditrückzugs abgesichert sind, während gleichzeitig versucht wird, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Bank und denen des Kunden zu schaffen.
VFE-Berechnung: die Aktiv-Aktiv-Methode und Aktiv-Passiv-Methode
Zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung haben Banken zwei Verfahren zur Auswahl. Beide Berechnungsarten folgen dem Prinzip, zu ermitteln, wie hoch der Gewinn für die Bank bei normaler Weiterführung des Darlehens ausgefallen wäre. Die VFE soll die fehlende Kreditsumme decken, die für den ursprünglich avisierten Gewinn notwendig gewesen wäre.
- Die Aktiv-Aktiv-Methode: Hier geht die Bank davon aus, dass sie das zurückerhaltene Darlehen an einen neuen Darlehensnehmer vergibt und vergleicht dazu den Zinssatz des ursprünglichen Darlehens mit dem aktuellen. Die Differenz bildet die Summe der VFE.
- Die Aktiv-Passiv-Methode: Bei dieser deutlich gängigeren Methode basiert der Vergleich nicht auf der Neuvergabe des Darlehens, sondern auf der Investition der Darlehenssumme am Kapitalmarkt, bzw. in Hypothekenpfandbriefe.
Zu hohe Vorfälligkeitsentschädigungen wegen unberücksichtigter Kosten
Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung müssen Banken allerdings bestimmte Vorgaben einhalten. So müssen sie ersparte Kosten für die Risikoprämie, Verwaltungs- und Bearbeitungsgebühren von der VFE abziehen. Auch Sondertilgungen sind bei der Berechnung zu berücksichtigen. Schließlich lässt sich durch sie die Kreditschuld reduzieren – und so auch die VFE. Da Banken das aber meistens nicht tun, entstehen für Sie als Kreditnehmer häufig Vorfälligkeitsentschädigungen von mehreren Zehntausend Euro. Diese Zahlungen leisten die meisten Verbraucher auch ohne Prüfung. Dabei könnten sie sich im Falle einer falschen Berechnung durchaus gegen eine Zahlung wehren.
Der Online-Rechner
Damit Sie eine ungefähre Vorstellung davon bekommen, wie hoch eine Vorfälligkeitsentschädigung für Ihren Kredit ausfällt, nutzen Sie bitte unseren Online-Rechner. So können Sie die Forderung Ihrer Bank ganz einfach mit Ihrem Online-Ergebnis vergleichen. Dieser Vergleich dient allerdings nur als Richtwert. Für eine exakte Berechnung der VFE sollte Sie sich unbedingt an unsere spezialisierten Anwälte für Bankenrecht wenden.
So hoch darf die Vorfälligkeitsentschädigung maximal sein
Bei Verbraucherdarlehen ist die Sachlage eindeutig: Laut § 502 BGB darf die Vorfälligkeitsentschädigung maximal ein Prozent der Restschuld betragen, sofern die Restlaufzeit länger als 12 Monate dauert. Liegt sie unter einem Jahr darf die Entschädigung nicht höher als 0,5 Prozent der Restschuld ausfallen.
Keine Deckelung bei Immobiliendarlehen
Anders verhält es sich bei Immobiliendarlehen. Hier gibt es keine Deckelung der Entschädigung. Stattdessen haben die Banken bei der Berechnung Gestaltungsspielräume, die sie häufig zu ihren Gunsten ausnutzen. Einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Bremen zufolge liegen die Forderungen der Banken im Schnitt um fünf Prozent über den Berechnungen der Verbraucherschützer.
Keine Vorfälligkeitsentschädigung diese Möglichkeiten haben Sie
Auch wenn Banken grundsätzlich eine Vorfälligkeitsentschädigung von Kreditnehmern verlangen dürfen, wenn diese ihr Darlehen vorzeitig ablösen, bedeutet das nicht automatisch, dass sie einer Zahlung nachkommen müssen. In bestimmten Fällen dürfen Banken nämlich keine VFE fordern.
Das Sonderkündigungsrecht Nach einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren können Verbraucher ihr Immobiliendarlehen gemäß §489 Abs.1 BGB mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen, ohne eine VFE zahlen zu müssen.
Kündigung des Darlehens durch die Bank Viel häufiger als man annehmen würde, erfolgen vorzeitige Darlehenskündigungen durch Banken meist wegen ausbleibender Ratenzahlungen. Nach Rechtsprechung des BGH haben sie dann jedoch keinen Anspruch auf eine Entschädigung.
Variabler Zinssatz im Vertrag Haben Sie mit Ihrer Bank einen variablen Zinssatz für Ihr Darlehen vereinbart, dürfen Sie dieses mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten ohne VFE kündigen.
Fehlerhafte Widerrufsbelehrung Machen Kreditinstitute falsche oder keine Angaben im Kreditvertrag zur Vertragslaufzeit, zum Kündigungsrecht und zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Forderung der VFE unwirksam. Enthält Ihr Vertrag Fehler in den Widerrufsbelehrungen, können Sie diesen widerrufen und so Ihren Kredit kündigen – ohne Vorfälligkeitsentschädigung.
Diese Kreditverträge sind widerrufbar
Von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen sind Millionen Kreditverträge betroffen. Hierbei gilt:
Kreditverträge sind grundsätzlich bei falschen Widerrufsbelehrungen nach wie vor widerrufbar, da die eigentliche Widerrufsfrist von 14 Tagen aufgrund der Fehler nie zu laufen begonnen hat. Dem ewigen Widerrufsrecht schob der Gesetzgeber in der Zwischenzeit allerdings einen Riegel vor. So gilt bei Immobiliendarlehen ab dem 21. März 2016 eine Widerrufsfrist von einem Jahr und 14 Tagen.
Mit der Vorfälligkeitsentschädigung Steuern sparen
Sollte sich die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung einmal nicht vermeiden lassen, haben Sie immer noch die Möglichkeit, sie steuermindernd zu nutzen. Z.B., wenn Sie als Vermieter das Darlehen für die zu vermietende Immobilie vorzeitig ablösen, um es in ein zinsgünstigeres umzuschulden. Die danach anfällige Vorfälligkeitsentschädigung können Sie als Werbungskosten von der Steuer absetzen, sofern Sie die Immobilie weitervermieten.
Vorfälligkeitsentschädigung als Veräußerungskosten absetzen
Verkaufen Sie Ihre Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung mit Gewinn und zahlen anschließend das Darlehen zurück, müssen Sie den Erlös zwar als Veräußerungsgewinn versteuern. Aber: Die Entschädigungszahlung, die daraus entsteht, können Sie als Veräußerungskosten bei der Steuererklärung berücksichtigen und so den zu versteuernden Gewinn reduzieren.
Kostenlose Erstberatung nutzen, Vorfälligkeitsentschädigung sparen
Wenn Sie vorzeitig aus Ihrem Kreditvertrag aussteigen möchten, sollten Sie diesen von einem erfahrenen Experten prüfen lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch Ihr Vertrag keine ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrungen enthält und somit widerrufen werden kann. Auch wenn Sie bereits eine VFE gezahlt haben sollten, besteht bei vielen Verträgen weiterhin die Möglichkeit, diese nachträglich widerrufen zu lassen und die geleistete Entschädigung zurückzuholen. Da Banken sich dagegen aber in aller Regel wehren, ist es ratsam, sich juristischen Beistand zu holen.
Fragen und Antworten zur Vorfälligkeitsentschädigung
Beim Widerruf eines Darlehens werden alle Zahlungen rückabgewickelt. Das bedeutet: Der Darlehensnehmer erhält alle bereits gezahlten Gebühren und Zinsen zurück.
Grundsätzlich lohnt es sich immer, den Kreditvertrag prüfen zu lassen, bevor Sie ihn kündigen. So erfahren Sie, wie hoch genau eine VFE ausfallen würde und, ob Sie sich in Ihrem Fall vermeiden lässt.
Insbesondere bei Verträgen mit langer Laufzeit ist der Widerruf eine reizvolle Lösung, um Strafzahlungen im fünfstelligen Bereich zu vermeiden. Zudem können Sie den Widerruf nutzen, um Ihr Darlehen in ein zinsgünstigeres umzuschulden.